Politische Neuausrichtung: Wie sich die Debatte um 2035 auf Lade- und Energieprojekte auswirkt

Debatte um 2035 zum Verbrenner

Die Bundesregierung hat angekündigt, auf europäischer Ebene für eine Lockerung des geplanten Verbrenner-Aus ab 2035 zu werben. Konkret geht es um Ausnahmen für Plug-in-Hybride und hocheffiziente Verbrenner. Diese Diskussion erzeugt eine neue Unsicherheit: Wie entwickeln sich Flottenstrategien, Investitionsentscheidungen und Planungen von Ladeinfrastruktur, wenn politische Leitplanken erneut verschoben werden könnten?

Für Unternehmen, Projektierer und Immobilienbetreiber stellt sich die Frage, wie sie trotz dieser Debatte belastbare Entscheidungen treffen können.

Warum das Thema jetzt relevant ist

  • Die Nachfrage nach Ladeinfrastruktur wächst weiter. Gleichzeitig braucht es langfristige Planungen – insbesondere bei Netzanschlüssen, EMS-Strategien und Speichergrößen.
  • Politische Veränderungen beeinflussen Beschaffung und Investitionshorizonte von Gewerbe- und Logistikflotten.
  • Förderlandschaft und regulatorische Regeln (§14a, THG-Quote, Steuerrecht) bleiben ein zentraler Faktor für Wirtschaftlichkeitsrechnungen.

Auch wenn Verbrenneroptionen über 2035 hinaus diskutiert werden, bleibt der strukturelle Trend eindeutig: Strombasierte Antriebe gewinnen an Bedeutung, und Unternehmen müssen ihre Energie- und Ladeinfrastruktur darauf ausrichten.

Kurz gefasste Fakten / Daten

  • Deutschland hat bereits knapp 2 Mio. batteriebetriebene Fahrzeuge im Bestand – Tendenz steigend.
  • Jedes zusätzliche E-Fahrzeug erhöht den Druck auf Verteilnetze, insbesondere in Gewerbegebieten.
  • Netzbetreiber wie Westnetz melden Zuwächse bei Anschlussanfragen für Ladeinfrastruktur von zweistelligen Prozentbereichen gegenüber dem Vorjahr.
  • Die Umsetzung von §14a kann – richtig genutzt – Lastspitzen reduzieren und Netzanschlüsse wirtschaftlicher machen.

Diese Daten zeigen: Selbst wenn politische Rahmenbedingungen nachjustiert werden, bleibt der Infrastrukturbedarf hoch.

Praxisbeispiele

1. Logistikstandort mit gemischter Flotte

Ein Betreiber mit 120 Transportern plante ursprünglich eine vollständige Umstellung auf BEV. Durch die politische Debatte über mögliche Verbrenner-Ausnahmen wurde die Fahrzeugbeschaffung modifiziert. Ergebnis: Der Standort setzt nun auf eine phasenweise Elektrifizierung – weiterhin mit klarer Perspektive auf vollständige Umstellung, aber in Etappen.
Die Ladeinfrastruktur wurde dennoch sofort skalierbar aufgebaut: AC-Cluster, OCPP-fähige Wallboxen, Monitoring, dynamisches Lastmanagement und Vorbereitung für 150-kW-Lader.

2. Gewerbeimmobilie mit Mieterstrommodell

Ein Objektentwickler stellte fest, dass die Nachfrage der Mieter unabhängig von politischen Diskussionen steigt. Um Planungsrisiken zu reduzieren, wurde ein EMS mit PV-Integration und Speicher installiert, das auch zukünftige Ladepunkte flexibel einbinden kann.
Hier zeigte sich deutlich: Die Investition in Infrastruktur richtet sich nach Nutzerverhalten, nicht nur nach politischen Zielen.

Typische Missverständnisse und Risiken

  • „Wir warten ab, bis die Politik Klarheit schafft.“
    Das führt oft zu einem Investitionsstau, während Lastspitzen und Netzanschlussprobleme weiter wachsen.
  • „Wenn Verbrenner länger bleiben, brauchen wir weniger Ladeinfrastruktur.“
    In der Praxis steigen die Anforderungen trotzdem, weil immer mehr Teilflotten elektrifiziert werden – etwa innerstädtische Verkehre oder Werkslogistik.
  • „Ladeinfrastruktur lohnt sich nur bei 100 % E-Flotte.“
    Das Gegenteil ist der Fall: Skalierbare Systeme verursachen geringere Gesamtkosten, wenn sie frühzeitig aufgebaut werden.
  • „Ein größerer Netzanschluss löst das Problem.“
    Ohne EMS, Lastmanagement und Speicher bleiben Lastspitzen teuer und technisch problematisch.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Projektverantwortliche

1. Infrastrukturplanung entkoppeln von kurzfristigen politischen Debatten

Eine robuste Lade- und Energielösung orientiert sich an Lastprofilen, Nutzerbedarfen und Wirtschaftlichkeit – nicht an der politischen Tagesform.

2. EMS-fähige Hardware strategisch auswählen

OCPP 1.6/2.0.1, tarifgesteuerte Ladeprofile, PV-Überschusslogik und Batteriespeicher sollten von Anfang an berücksichtigt werden.

3. Szenarien entwickeln statt auf Eindeutigkeit warten

Unternehmen sollten mindestens drei Planungsszenarien nutzen:

  • Schnelle Flottenelektrifizierung
  • Moderate Elektrifizierung + Hybridoptionen
  • Segmentierte Elektrifizierung nach Einsatzprofil

4. Netzanschluss frühzeitig mit dem Netzbetreiber abstimmen

Gerade in Westnetz-Gebieten empfiehlt sich eine frühzeitige Abstimmung zu:

  • maximal möglicher Anschlussleistung
  • Netzreserve
  • Anforderungen nach §14a
  • möglichen Steuerungen und Reduktionsstufen

5. Speicher als strategische Komponente prüfen

Batteriespeicher ermöglichen:

  • Peak-Shaving
  • PV-Optimierung
  • netzdienliche Steuerung
  • Reduktion der Anschlussleistung

6. Förderlandschaft aktiv verfolgen

Die geplante Förderung für einkommensschwächere Haushalte beeinflusst zwar primär Privatkunden, kann aber indirekt Flottenpreise, Lieferzeiten und Schulungsbedarf beeinflussen.

Fazit

Die Diskussion um das Verbrenner-Aus 2035 sorgt für Unsicherheit, ändert aber wenig am grundsätzlichen Trend: Die Elektromobilität wächst, und Unternehmen müssen ihre Energie- und Ladeinfrastruktur stabil, skalierbar und wirtschaftlich ausrichten. Wer heute plant, sollte politische Schwankungen einordnen, aber nicht davon abhängig machen. Entscheidend bleibt eine technische und wirtschaftliche Gesamtsicht – gestützt durch EMS, Lastmanagement und klare Flottenstrategien.

FAQ zum Verbrenner-Aus 2035 und den Auswirkungen auf Lade- und Energieprojekte

Was bedeutet die aktuelle politische Debatte um 2035 für Unternehmen?

Die Diskussion kann Investitionsentscheidungen verzögern, ändert aber nichts am strukturellen Trend zur Elektrifizierung. Unternehmen sollten ihre Infrastrukturplanung daher an realen Lastprofilen, betrieblichen Anforderungen und Netzkonditionen ausrichten – nicht an kurzfristigen politischen Signalen.

Wird die Ladeinfrastruktur weniger wichtig, wenn Verbrenner länger zugelassen bleiben?

Nein. Der Bedarf an Ladepunkten steigt unabhängig davon weiter. Besonders Gewerbe- und Logistikstandorte elektrifizieren bereits heute Teilflotten. Die Nachfrage nach netzdienlichem Laden, EMS-Integration und Lastmanagement bleibt hoch.

Wie beeinflusst die Debatte die Flottenstrategie in Unternehmen?

Viele Betriebe reagieren mit Szenarioplanungen:
– schnelle Elektrifizierung bestimmter Einsatzbereiche
– hybride Modelle für Übergangsphasen
– langfristige Vorbereitung auf vollständige E-Flotte
Die Infrastruktur sollte deshalb skalierbar aufgebaut werden – AC-Cluster, vorbereitete DC-Standorte und EMS-Anbindung.

Welche Rolle spielt der Netzanschluss bei Projekten in dieser Phase?

Eine frühe Abstimmung mit dem Netzbetreiber ist entscheidend. Netzkapazitäten und §14a-Regelungen beeinflussen die wirtschaftliche Machbarkeit erheblich. Lastmanagement, Speicher oder PV-Integration können Anschlussleistungen reduzieren und Kosten stabilisieren.

Sollten Unternehmen die Planung ihrer Ladeinfrastruktur aufgrund politischer Unsicherheit verschieben?

Kurzfristiges Warten führt oft zu Engpässen – insbesondere bei Netzanschlüssen, Hardwareverfügbarkeit und Projektumsetzung. Skalierbare Systeme reduzieren dieses Risiko und lassen sich an zukünftige politische Entscheidungen anpassen.

Welche Technologien helfen, trotz Unsicherheit Planungssicherheit zu schaffen?

EMS zur intelligenten Verteilung und Priorisierung von Lasten
dynamisches Lastmanagement zur Vermeidung von Netzüberlastungen
Batteriespeicher für Peak-Shaving
PV-Integration zur Eigenverbrauchsoptimierung
OCPP-fähige Ladetechnik für zukünftige Tarif- und Regelungsmodelle

Welche Auswirkungen hat die Debatte auf Kosten und Wirtschaftlichkeit?

Die Gesamtkosten von Ladeprojekten hängen weiterhin stärker von Bau, Netzanschluss, Lastmanagement und Betrieb ab als von politischen Entscheidungen. Unternehmen profitieren oft von frühzeitig umgesetzten Projekten, weil spätere Maßnahmen kostenintensiver werden.

Ist die politische Debatte ein Grund, bestehende Projekte zu pausieren?

Nein. Projekte sollten auf robuste technische und wirtschaftliche Grundlagen gestellt werden. Flexibilität in der Skalierung ist entscheidend – nicht das Abwarten auf langfristige politische Entscheidungen.

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von Ralf Herzig

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